Leitfaden für Notfälle und Erste Hilfe bei Pferden

Von: Néstor Imberti Veröffentlicht: 23 August 2024

Was tun bei Unfall oder Notfall?

Die schnelle Antwort auf diese Frage lautet:

Den Tierarzt rufen.

Jedoch nicht immer erhält man sofort Hilfe, aufgrund der Entfernungen oder des Zeitpunkts, zu dem der Notfall eintritt.

Da es unmöglich ist zu wissen, wann etwas passieren wird, ist es umso wichtiger, vorbereitet zu sein.

Dieser Leitfaden erklärt, wie Sie schnell handeln und Zeit gewinnen können, bis ein Tierarzt zu Hilfe kommt.

Beginnen wir von vorn

Der erste Schritt, um zu wissen, ob Ihr Pferd ein Problem hat, ist, seinen Normalzustand zu kennen.

Dafür sollten Sie Ihr Pferd täglich, oder so oft wie möglich, beobachten.

Was sollte ich beobachten?

Temperament und Verhalten: Beobachten Sie das Temperament Ihres Pferdes und erkennen Sie so Veränderungen. Wenn Ihr Pferd zum Beispiel gewohnheitsmässig aktiv ist und sich bewegt, kann Apathie und Desinteresse ein Warnsignal sein.

In seinem Verhalten erkennen Sie auch, ob ein tierärztlicher Notfall vorliegt. Wenn Ihr Pferd zum Beispiel gegen den Boden tritt, sein Maul an den Bauch führt, viel schwitzt oder sich wiederholt wälzt, hat es möglicherweise Koliken und Sie sollten sofort einen Tierarzt rufen.

Haut: Durch häufiges Putzen Ihres Pferdes kennen Sie seinen normalen Zustand und wenn Veränderungen auftreten, die problematisch sein können, wie z. B. Entzündungen, Wunden, Knoten oder warme Stellen.

Geräusche im Magen-Darm-Bereich: Magen und Darm Ihres Pferdes sollten Geräusche machen. Mit einem Stethoskop (oder Ihrem Gehör) sollten Sie nahe der Bauchdecke, zwischen der letzten Rippe und dem Hüftknochen Gurgeln und dumpfe Schläge hören. Hören Sie auf beiden Seiten, um die normalen Geräusche Ihres Pferdes zu kennen. Fehlende Darmgeräusche können ein Hinweis für Koliken sein, was schnelle tierärztliche Hilfe erfordert.

Wasserzufuhr: Der genaueste Weg, um festzustellen, ob Ihr Pferd ausreichend Wasser trinkt, ist die Kapillarfüllungszeit (KFZ). Sehen Sie sich die Schleimhäute im Maul an, sie sollten feucht und rosa sein. Drücken Sie Ihren Finger fest gegen das Zahnfleisch und lassen Sie nach. Wenn sich der Bereich nicht innerhalb von ein oder zwei Sekunden wieder rosa färbt, könnte das Pferd dehydriert sein oder Kreislaufprobleme haben.

Vitalparameter: Die Messung der Temperatur, Herzfrequenz und Atmung Ihres Pferdes hilft, die Normalwerte zu identifizieren und Anomalien oder plötzliche Veränderungen schnell zu bemerken.

Ein gesundes Pferd im Ruhezustand sollte eine Körpertemperatur zwischen 37-38°C haben.

Die Temperatur bei Pferden wird normalerweise mit einem Veterinärthermometer im Enddarm des Pferdes gemessen.

Es ist wichtig, dass das Thermometer lange genug misst, um einen zuverlässigen Wert zu liefern, nicht kürzer als 2 oder 3 Minuten.

Wenn Sie kein Thermometer haben, können die Ohren Ihres Pferdes ein guter Hinweis sein. Wenn Sie feststellen, dass seine Ohren warm sind, ist dies im Allgemeinen ein Anzeichen auf Fieber, denn die Ohren sind beim gesunden Pferd kalt.

Regelmässige Überwachung ermöglicht es Ihnen, seine übliche Temperatur zu kennen und Änderungen schnell zu erkennen.

Die Herzfrequenz spiegelt sich im Puls wider. Tierärzte messen sie normalerweise mit einem Stethoskop, doch Sie können es mit ein wenig Übung manuell tun.

Der Puls kann in jeder grossen Arterie gemessen werden, doch ist die Gesichtsarterie am unteren Ende des Kiefers am einfachsten zu finden.

Legen Sie zwei oder drei Finger (nicht den Daumen, der einen eigenen Puls hat) an die Stelle zwischen Wange und Kiefer. Dort befindet sich die Arterie, die sich wie eine Nabelschnur anfühlt, wo sich der Knochen befindet.

Drücken Sie mit dem Zeigefinger etwas fester als mit den anderen Fingern, um den Puls zu verstärken.

Zählen Sie die Schläge während 30 Sekunden. Verdoppeln Sie diese Zahl, um den Pulsschlag pro Minute (bpm) zu erhalten.

Der Pulsschlag muss stark, regelmässig und konstant sein, und obwohl die Häufigkeit je nach Alter und Ausbildung des Pferdes variiert, gibt es bestimmte wünschenswerte Werte.

Auf diese Weise können Sie die Knoten aus angesammeltem Schmutz lösen, der mit den langen Haaren des Pferdes vermischt ist.
Sobald Sie dies erreicht haben, können Sie eine normale Borstenbürste verwenden, um den ganzen Schmutz zu entfernen, der mit dem Striegel aufgelockert wurde.

Ein Pferd in guter körperlicher Verfassung sollte innerhalb von zehn Minuten nach Beendigung des intensiven Trainings einen Wert von 70 bpm und nach zehn Minuten moderater Belastung von unter 60 bpm haben.

Ein ausgewachsenes Pferd hat im Ruhezustand einen durchschnittlichen Pulsschlag zwischen 30-40 bpm und erreicht nach intensiver Aktivität 120-150 bpm.

Ein neugeborenes Fohlen hat einen Wert zwischen 70 und 90 bpm und ein älteres Pferd zwischen 35 und 45 bpm.

Veränderungen dieser Werte können Anzeichen für Stress und Krankheit sein.

Wenn Ihr Pferd einen Ruhepuls von über 80 bpm hat, kann dies ein Zeichen für Dehydrierung, Koliken, Herz- oder Lungenprobleme und sogar Infektionen sein.

Andererseits können sehr niedrige Frequenzen unter 20 Pulsschlägen auf Unterkühlung, Herzerkrankungen oder schwere Durchblutungsstörungen hinweisen.

Was die Atmung betrifft, so beträgt der normale Wert eines erwachsenen Pferdes im Ruhezustand 8 bis 14 Atemzüge pro Minute.

Um sie zu zählen, können Sie einfach die Nasenlöcher beobachten oder wie sich die Körperseiten bei jedem Atemzug ausdehnen und zusammenziehen. (Legen Sie nicht Ihre Hand in die Nähe der Nase, sondern beobachten Sie einfach nur.)

Natürlich ändern sich diese Werte, wenn das Pferd sich bewegt oder trainiert, doch durch regelmässige Überprüfung können Sie schnell feststellen, wann die Atmung ausserhalb des Normalbereichs ist.

Die Messungen dieser grundlegenden Parameter sind ein generelles Überwachungs- und Diagnosewerkzeug, um alarmierende Situationen zu erkennen.

Es gibt jedoch häufige Notfälle, die mit blossem Auge identifiziert werden können, wie z. B. Wunden.

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Was tun, wenn ein Pferd verletzt ist

Das Verhalten von Pferden wird durch ihre Alarm- und Fluchtmechanismen gesteuert, was oft zu Verletzungen führt, wenn sie gegen Gebäude, Zäune oder natürliche Objekte in der Umgebung stossen.

Einfache Wunden können ohne die Hilfe eines Fachmanns behandelt werden, aber grössere Wunden sollten von einem Tierarzt behandelt werden.

Doch zuerst: Was ist eine Wunde?

Es handelt sich um eine Verletzung, bei der Gewebe freigelegt wird oder auch nicht.

Zuerst muss die Art der Wunde bestimmt werden, um Entscheidungen zu treffen.

Schnittwunden werden durch Oberflächen mit Schneidkante erzeugt, deshalb haben sie saubere und definierte Ränder. Je nach Tiefe sind nur die Haut oder auch Muskeln, Sehnen und Nerven betroffen und unterschiedlich starke Blutungen werden hervorgerufen.

Stichwunden werden in der Regel durch Nägel, grosse Dornen und sogar Bisse verursacht. Obwohl sie in der Regel keine grosse Oberfläche haben, können sie sehr gefährlich sein, da es schwierig ist, die Tiefe abzuschätzen und sie sich durch das Eindringen von Bakterien in die tieferen Schichten leicht infizieren. Aus diesem Grund sollten diese Wunden von einem Tierarzt behandelt werden.

Eine der häufigsten Wunden bei Pferden sind Risswunden, die durch scharfe Gegenstände mit unregelmässigen Kanten (wie Draht oder Dosen) verursacht werden, die das Gewebe aufreissen, was zu einer Verletzung mit unregelmässigen Wundrändern führt und häufig durch den kontaminierten Gegenstand verunreinigt wird.

Eine schwerwiegende Form von Risswunden sind Ablederungswunden, wo ein Teil des Gewebes komplett weggerissen wird und es zu Schäden an Sehnen und Knochen kommen kann. Dies passiert am häufigsten an den Sprunggelenken und dem Mittelfussknochen.

Das Reinigen der Wunden und die Entfernung von kontaminierenden Fremdkörpern sind unerlässlich.

Kratzer und Schürfwunden sind oberflächliche Verletzungen, die durch das Reiben des Sattels oder Schürfungen verursacht werden. Obwohl sie kaum bluten, können sie brennen oder stören.

Da dies unbedeutende Wunden sind, werden sie oft unterschätzt, da sie sich leicht entzünden können, wenn sie nicht richtig desinfiziert und behandelt werden.

Platzwunden sind das Ergebnis eines Schlages und auch wenn sie oft nicht bluten, verursachen sie oft Schmerzen und Entzündungen. Ernstere Platzwunden können zu inneren Blutungen führen, daher ist eine sofortige tierärztliche Versorgung wichtig.

Sobald Sie Art und Schweregrad der Wunde identifiziert haben, sollten Sie in diesen Fällen unverzüglich einen Tierarzt aufsuchen:

  • Die Wunde ist stark mit Schmutz oder Partikeln verunreinigt.
  • Es kommt zu starken Blutungen.
  • Ihr Pferd humpelt oder hat Schwierigkeiten, sich zu bewegen.
  • Die Wunde klafft oder geht bis in tiefes Gewebe.

Wenn es sich um eine Verletzung handelt, die Sie selbst behandeln können, gibt es mehrere Empfehlungen, die Sie berücksichtigen sollten.

Seien Sie jedoch vorsichtig, bevor Sie Massnahmen ergreifen, ist Folgendes sehr wichtig:

Wenn Ihr Pferd starke Schmerzen hat, nervös ist oder ein schweres Trauma erlitten hat, kann es auf gefährliche Weise reagieren.

Wenn Sie nicht mit den grundlegenden Techniken vertraut sind, ein Pferd unter solchen Bedingungen zu halten, sollten Sie keine Erste Hilfe leisten, da es für beide ungewollte Folgen haben kann.

Wenn Sie Hilfe haben und sicher vorgehen können, sollten Sie folgende Empfehlungen berücksichtigen:

  • Behalten Sie die Ruhe und handeln Sie nicht vorschnell.
  • Waschen Sie sich sorgfältig die Hände und ziehen Sie Latexhandschuhe an.
  • Prüfen Sie, ob sich in der Wunde der Fremdkörper befindet, der den Unfall verursacht hat, oder andere wie Blätter, Insekten usw. In diesem Fall versuchen Sie, ihn zu entfernen, am besten mit einer sauberen Pinzette.
  • Wenn die Wunde frisch ist und das Pferd es zulässt, können Sie die Wunde mit einer sterilen Lösung oder antiseptischer Seife für Pferde waschen und anschliessend mit Wasser aus dem Schlauch ausspülen. Kaltes Wasser hilft den Blutgefässen, sich zusammenzuziehen und Blutungen zu reduzieren.
  • Wenn die Wunde nicht frisch und Schmutz darin ist, reinigen Sie sie mit Wasser und einer geringen Konzentration eines Antiseptikums (Povidon-Jod 0,001%), um Gewebeschäden zu vermeiden. Dies sollte sanft erfolgen, ohne die Wunde zu schrubben, vorzugsweise mit einer Spritze.
  • Bei kleinen Wunden oder Kratzern können Sie ein Antiseptikum in der empfohlenen Konzentration auftragen und trocknen lassen (seien Sie vorsichtig, es kann bei Ihrem Pferd eine Reaktion hervorrufen).
  • Wenn die Verletzung grösser ist, sollte sie nur von einem Tierarzt behandelt werden. Wenn es jedoch aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, wo Sie sich befinden, können Sie nach der Desinfektion der Wunde eine antiseptische und antibakterielle Salbe auf eine sterile Wundauflage auftragen und diese auf die Wunde legen. Legen Sie eine elastische Binde über der Wundauflage an, jedoch nicht zu fest.
  • Wenn Ihr Pferd stark blutet, sollte es trinken und sich nicht bewegen, bis der Tierarzt kommt.

Selbst für eine kleine Wunde braucht man mehrere Utensilien, um sie zu behandeln.

Was sollte im Erste-Hilfe-Koffer sein?

Die Liste kann endlos sein, doch für die häufigsten Vorfälle sollte Folgendes im Erste-Hilfe-Koffer sein:

  • Einweghandschuhe (mehrere Paare zum Wechseln für unterschiedliche Wunden)
  • Schere mit runder Spitze
  • Pferdethermometer (und reine Vaseline, um es zu verwenden)
  • Sterile Lösung Reinigung von Wunden
  • Jodlösung (Povidon-Jod) oder Chlorhexidin zur Desinfektion (achten Sie auf die Konzentration und immer in geringen Mengen, um das Gewebe nicht zu schädigen oder die Genesung zu beeinflussen).
  • Sterile Wundauflagen und Verbände
  • Klebebänder und selbstklebende Binden
  • Aderpresse
  • Antibiotische Salbe
  • Entzündungshemmer für die innere und äussere Anwendung (Achtung! Sie sollten sie nur auf tierärztliche Verschreibung verabreichen).
  • Spritze mit Medikament für Koliken

Es sollte ein pharmazeutisches Medikament mit dem Wirkstoff Flunixin-Meglumin sein, das schmerzlindernd, entzündungshemmend, fiebersenkend, nicht-steroidal und nicht-narkotisch ist und vierfach stärker als Phenylbutazon wirkt.

Checken Sie regelmässig den Erste-Hilfe-Koffer auf den Zustand und das Haltbarkeitsdatum der Verbandmittel und Medikamente.

Jede Minute zählt

Im Notfall ist jede Minute wichtig und kann entscheidend sein. Es ist zwar unmöglich, alle möglichen Unfälle vorherzusehen und zu verhindern, aber es gibt einige Punkte zu berücksichtigen, um die Folgen zu minimieren.

Hier sind einige Tipps, die helfen können:

  • Vergewissern Sie sich, dass Ihr Tierarzt eine Notfallversorgung hat und falls er nicht verfügbar ist, haben Sie auch die Nummer eines anderen Tierarztes zur Hand.
  • Die Kontaktnummern der Tierärzte sollten auf Ihrem Handy gespeichert und auch an einer gut sichtbaren Stelle im Stall sein, z. B. am Erste-Hilfe-Koffer.
  • Suchen Sie die nächstgelegene Tierarztpraxis auf, kennen Sie den schnellsten Weg dorthin und informieren Sie sich über die Öffnungszeiten.
  • Wenn Sie keinen festen Pferdepfleger haben, stellen Sie sicher, wer Ihnen im Notfall helfen kann, bis der Tierarzt eintrifft oder falls Sie Ihr Pferd in seine Praxis fahren müssen.
  • Wenn Sie einen Pferdeanhänger haben, sollte immer ein Erste-Hilfe-Koffer darin sein und ein zweiter im Stall.
  • Es ist besser, zu übertreiben und im Zweifelsfall den Tierarzt anzurufen, als Symptome zu minimieren, die auf ein ernsthaftes Problem hinweisen könnten.

Die Hilfe eines Tierarztes ist unerlässlich, doch Ihre Kenntnisse und Vorsorge können entscheidend sein, dass ein kleines Problem nicht zu einem ernsten wird.

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